Tilda und der TSV in der Presse – Darmstädter Echo vom 19.4.

10 Uhr, Sportplatz Richen. Tilda Novotny (17) ist bereits komplett im Torwart-Dress; ihr Torwarttrainer Klaus Fey vom TSV Richen hat ein Netz voller Fußbälle bereitgelegt: Torwarttraining steht auf dem gut gepflegten Rasenplatz an der Ortseinfahrt an. Eine Besonderheit, denn eigentlich hält Tilda nicht in ihrem Heimatort Richen den Kasten sauber, sondern im Nachwuchskader des DFB und zuletzt beim 1. FC Saarbrücken. Sie ist – oder war zumindest – eines der deutschen Talente im Frauenfußball.

„Ich bin mit drei Jahren hier in Richen in die Bambini-Mannschaft gekommen“, erinnert sich die junge Frau auf dem Weg zum Sportplatz. Gleich ging sie damals ins Tor. Warum? „Ich glaub, ich laufe nicht so gern“, sagt die Torhüterin und lacht.

Mit zehn Jahren wird sie von einem DFB-Scout bei einem Turnier entdeckt. Vier Monate später, mit elf, steht sie bereits in der Hessenauswahl.

„In dieser Zeit hab ich eigentlich die ganze Zeit nur gekickt; Schule war mir nicht so wichtig.“ Die vierte Klasse musste sie wiederholen. Die Familie setzte sich zusammen und gab ihr den Weg frei zur Fußballkarriere.

Mit zwölf Jahren zog Tilda Novotny zuhause aus und in ein Sportinternat bei Leipzig ein. „Die Internate im Westen nahmen erst ab 14 Jahre auf, die im Osten schon mit 12“, schildert Vater Bernd. Rasant ging‘s weiter. Nach der Sachsenauswahl kam Tilda mit 14 Jahren in den erweiterten U-15-Nationalkader. Dann der Wechsel nach Saarbrücken, das U16-/U17-Nationalteam. „Ich war im Kader, verletzte mich früh, im Mai 2016 wurden wir Europameister.“

Nach dem Aufwärmen geht‘s weiter mit den Trainingseinheiten: unten rechts, halbhoch rechts. Klaus Fey steht einige Meter vorm Tor, wirft die Bälle in die gewünschte Position. Wirft? „Ja, sagt er und lacht. „So wie in der Bundesliga, wo die Männer zehnmal auf die gleiche Stelle schießen können, bekommen wir das nicht hin. Da müssten wir dauernd die Bälle irgendwo einsammeln, deshalb wird weiter unter in den Klassen beim Torwarttraining geworfen.“

Viermal, fünfmal, sechsmal – Tilda Novotny hält jeden Ball im Sprung mit ausgestreckten Armen, knallt jedesmal so hart auf den Boden, dass es schon vom Zusehen weh tut. Gibt das nicht jede Menge blaue Flecken? „Anfangs war es schon krass. Die Flecken gibt es eher von den Schüssen aufs Schienbein und auf die Oberschenkel. Die Muskeln gewöhnen sich irgendwann dran. Meine gute Seite ist rechts: bessere Streckung und es tut weniger weh.“

Willkommen ist deshalb eine weitere Gesprächspause. Jetzt um die Ostertage ist sie nur deshalb hier in Richen bei ihrer Familie, weil gesundheitliche Probleme in Saarbrücken zuletzt die Oberhand gewannen, erläutert ihr Vater. Schon im vergangenen Jahr waren 232 Fehlstunden in der 10. Klasse zusammengekommen; neben Lehrgängen warfen sie Magen-Darmprobleme allzu oft aus der Bahn. Die Psyche. Denn anders als erwartet, sei die Torfrau nur in der zweiten Mannschaft (Regionalliga) eingesetzt worden, nicht aber im Top-Team in der Zweiten Liga. „Die Perspektivlosigkeit hat mich krank gemacht“, sagt Tilda Novotny zurückblickend. „Ich wollte meine Chance kriegen, bekam sie aber nicht.“

Vorrang hat jetzt das Abitur

Auch für den WM-Kader im Herbst 2016, mit einem Lehrgang in Jordanien, war die Siebzehnjährige nicht mehr aufgestellt worden. Frust, der krank macht – und zumindest vorerst auch die Laune auf Fußball raubt. „Die fünf Jahre waren eine coole Zeit. Aber jetzt bleibe ich hier. Nach den Osterferien gehe ich auf die Alfred-Delp-Schule in Dieburg, zum Eingewöhnen, und mache dann dort das Abitur.“
Sagt‘s und zieht die Fußballschuhe aus. Keine weitere Trainingseinheit für Tilda Novotny, eine der Top-Torfrauen des deutschen Nachwuchsfußballs.

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